Auf Smart-Devices haben die inkle Studios bereits einige Millionenkracher veröffentlicht. Sowohl die Sorcery!-Trilogie als auch das an Jules Verne angelehnte 80 Days waren und sind Spiele, die um einfache, kleine Ideen herum gebaut wurden und so eine extreme Sogwirkung entfalteten.
Mit Heaven’s Vault erschien vor einigen Wochen ein weiterer Titel des kleinen Teams – und ehrlich gesagt, habe ich überhaupt erst durch die hervorragenden Wertungen anderer Magazine von diesem Kleinod erfahren. Knapp 20 Euro kostet ein entspannter Trip in eine fremde Welt, die ihr als Archäologin Ariya mit Roboter im Schlepptau erkundet.
Die Aufgabe scheint simpel: Ariya soll für ihre Professorin den Robotiker Janniqi Renba finden, der plötzlich und spurlos verschwunden ist. Die Suchaktion wird jedoch bald zur Odyssee durch einen unkartierten Sternennebel, der die Ruinen einer längst untergegangenen und vergessenen Zivilisation verbirgt. Und hier kommt das zentrale Spielelement zum Tragen. Um Janniqi zu finden, müsst ihr eine tausende Jahre alte Sprache erlernen, die euch dann Hinweise gibt, wo als nächstes zu suchen ist.
Sprachenpuzzle
Ihr erkundet dazu die Umgebung und findet ein Artefakt, eine Texttafel oder Statue. Auf diesen sind Bildzeichen eingemeißelt, denen ihr die Bedeutung abringen müsst. Anfangs sind es wenige Worte wie Wind oder König, doch mit jedem weiteren Relikt vergrößert ihr euren Sprachschatz, korrigiert zuvor falsch übersetzte Inschriften und puzzelt euch den nächsten Hinweis zusammen. Habt ihr einen Ort abgegrast, reist ihr in Ariyas Raumschiff, der Nightingale, zum nächsten Planeten, wo sich das Prozedere wiederholt.
Das klingt vielleicht öde, doch der Zauber liegt darin, die gefundenen Sprachbruchstücke zu Hinweisen aufzuwerten, die euch dann zum nächsten Ziel lotsen. Mehr noch, erwacht die öde Umgebung zum Leben, offenbart eine untergegangene Kultur, berichtet aus dem Alltag, kundet von manch Erstaunlichen und manch Profanem. Glücklicherweise verzichteten die Entwickler auf eine allzu ausgedehnte Grammatik. Graute euch davor, im Fremdsprachenunterricht Verben zu konjugieren oder das korrekte Personalpronomen zuzuordnen? Das wird Heaven’s Vault von euch nicht abverlangen, es ist kein Sprachtest, sondern eine heftige Knobelei.
Nummer Six lebt
Euch an die Seite gestellt wird der Roboter Six, zu dem ihr eine interessante Beziehung aufbaut: Er ist mehr als nur ein Werkzeug und konfrontiert Ariya mit existenziellen Fragen zu Leben, Tod und Wiedergeburt. Immer wieder schön ist, dass Heaven’s Vault in diesen Momenten subtil die großen Klassiker menschlicher Literatur, allen voran das Gilgamesch-Epos, zitiert, die sich ebenfalls mit diesem philosophischen Problemfeld auseinandersetzten. Zumal Six zur Personifizierung all dieser Ängste und Hoffnungen wird. Wo Ariya ständig nach Neuem sucht, würde sich Six lieber verkrümeln, weil er sich unbehaglich fühlt. Ob ihr seinen Bitten nachgebt, oder sie ignoriert, beeinflusst zwar nicht den eigentlichen Spielverlauf, aber die Dialoge zwischen Mensch und Maschine, die für ein Videospiel tiefgründig sind. Dagegen fallen die Dialoge mit menschlichen NPCs etwas zu simpel aus. Trotz verschiedener, teils sehr amüsanter Dialogoptionen sind die Gespräche wie Zugfahrten: Es geht vorwärts und zurück, mal lässt sich eine Weiche verstellen, doch tatsächlich ist das Ziel bekannt.
Zu neuen Orten gelangt ihr, indem ihr die Nightingale durch den Sternennebel navigiert. Das funktioniert als Geschicklichkeitstest erstaunlich gut, denn eure Aufgabe ist es, Meteoriten und Felsen auszuweichen und an Abzweigungen eine bestimmte Richtung einzuschlagen, um euch zum Ziel zu hangeln. Vor Ort gibt es dann neben den Sprachrätseln auch andere Knobeleien. Eine fest verschlossene Tür muss aufgebrochen, ein Abgrund überwunden werden und Ariya kommt sogar in die Gefahr zu ersticken, weshalb ihr schleunigst einen Ausweg finden solltet. Obwohl diese Abwechslung nicht gänzlich deplatziert wirkt, kam es mir öfter vor, als hätten die Entwickler probiert, einen Mehrwert zu schaffen, den niemand verlangte. Denn in der Kernkompetenz, dem Dechiffrieren der alten Sprache, glänzt Heaven’s Vault.
Da ist es zu verschmerzen, dass die Texte lediglich auf Englisch ausgegeben werden (und eine deutsche Übersetzung nicht in Aussicht gestellt wird) und die Animationen an alte Rotoskopaufnahmen erinnern. Könnt ihr mit diesen Einschränkungen leben, dürfte euch der Adventure-Trip in Ariyas Welt allerdings fesseln.
Fazit von Daniel
Heaven’s Was? Zugegeben, ich kannte inkle Studios vorherige Arbeiten, mir war Heaven’s Vault jedoch unbekannt. Tatsächlich reizt mich das Sprachenrätsel mehr als jedes Call of Duty oder Battlefield. Denn wo andere Titel mit AV-Bombast auftrumpfen, konzentrierte sich das Indie-Studio auf eine Kernidee, die besonders gut funktioniert. Es ist ein unglaublicher Kosmos, der euch ausgebreitet wird, der dazu einlädt, mit Ariya und Six im Sternennebel nicht nur einen verschwundenen Kollegen zu suchen, sondern auch herauszufinden, was für eine Zivilisation da vor Jahrtausenden und Blüte stand und dann verschwand. Ja, Heaven’s Vault ist nicht perfekt. Ein paar aufgepropfte Action-Sequenzen, die rudimentären Animationen und die lediglich auf Englisch beschränkte Textausgabe dürften viele Spieler verschrecken. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit einem besonderen Spielerlebnis belohnt, das länger im Gedächtnis bleiben wird.
Pro: | Contra: |
+ Spannende Knobelei + Geistreiche Dialoge zwischen Ariya und Six + Interessante Spielwelt + Viele Zitate aus Literaturklassikern |
– Aufgesetzt wirkende Action-Sequenzen – Nur englische Textausgabe – Wiederspielwert gering |
Gesamtwertung: | Score: 8.5 |
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Abwechslung: | Gut | |
Atmosphäre: | Sehr Gut | |
Bedienung: | Sehr Gut | |
Langzeitmotivation: | Gut | |
Herausforderung: | Sehr gut | |
Spieldauer: | Sehr Gut | |
Multiplayer: | nicht verfügbar | |
Preis/Leistung: | Sehr Gut |
Bildquelle
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